Monat: Juni 2019

Tuscany Trail Teil 3

UPDATE: Die nachstehend vollmundig angekündigten Bilder gibt es leider nur zum Teil. Das WLan ist hier ähnlich bergschneckig unterwegs wie gewisse „hardy cyclists“. Kommen dann nach meiner Rückkehr.

Ich bin euch noch zwei Tage Trail-Reportage schuldig, nicht wahr? Sorry, erst war die Rückfahrt per Nahverkehrsbahnhopping etwas zeitraubend und heute erwischte mich dann das, was ich auf der Radtour zum Glück nicht hatte: nen platter Reifen – und zwar am Auto. Das löst sich hier aber mit italienischer Eleganz, und so ist auch mein Vierbeiner inzwischen wieder fahrtauglich. Sonntag gehts dann endgültig gen Heimat.Fünf derartig intensive Radeltage hatte ich wohl noch nie. Nicht in Afrika, nicht in Südamerika, schon gar nicht in Großbritannien. Vor allem an den ersten drei Tagen waren die Verschnaufpausen echt dünn gesät, und mit meinem dann doch nur bedingt tuscanytrailtauglichen Gravelbike habe ich ganz schön gelitten. Besonders bitter waren die steilen Abfahrten, die ich schieben durfte, während die Mountainbiker fröhlich an mir vorbeidonnerten. Mit meinen dünnen Reifen (37er), dem Rennradlenker, den Felgenbremsen und dem Gepäck waren sie schlicht nicht zu fahren, ohne mich in halbe Lebengefahr zu begeben. Bergschnecke reloaded eben.Die letzten beiden Trailtage waren etwas leichter. Mehr Asphaltpassagen, teilweise flache Abschnitte und brauchbar zu befahrende Schotterpisten. Da stieg dann sogar das Durchschnittstempo auf normalübliche Werte an, konnten wir Kilometer machen und endlich mal Distanz überbrücken. So ein paar lustige Übungseinheiten waren aber trotzdem mit dabei. Hinauf nach Radicofani zum Beispiel. 800 Meter hoch thronte das Örtchen über uns und wollte nochmal alles von uns sehen. Und dass die Sonne mit verschmitztem Gesicht und lüsternd die Arme vor der Brust verschränkend zuschaute war der ganze Sache auch nicht wirklich abträglich. Jedenfalls lief der Schweiß in Strömen runter, während sich die Kilometer bestenfalla in Zeitlupe reduzierten. Zum Lohn gabs oben den genialsten Couscous meines Lebens, gereicht von einer pfiffigen Alimentari-Betreiberin, die genau wusste, was müde Radler brauchen.Überhaupt: zu den Grundregeln des toskanischen Siedlungsbaus gehört offensichtlich die Pflicht, jede Siedlung so hoch wie möglich zu bauen. Und möglichst von einem Tal umgeben zu lassen. Ist ja auch logisch, geschützte Lage und so. Aber hey, wir leben im 21. Jahrhundert! Da kommen höchstens noch Touristenhorden! Und nicht alle haben E-Bikes…Der letzte Brocken lag dann 50 Kilometer vor dem Ziel, ging 800 Meter hoch und hatte einen durchaus okayen Anstieg aber einen fürchterlichen Downhill. Als Sahnehäubchen gabs dann kurz vor dem Ziel noch ein paar tiefsandige Passagen, an denen ich mit meinen dünnen Reifchen noch mal so richtig jammerte. Niemand hat behauptet, der Tuscany Trail sei vergleichbar mit einer Moselrundfahrt!Um 17:07 Uhr überfuhr ich schließlich die Ziellinie und kann sagen: ich war echt froh!Was da hinter mir liegt kann ich selbst noch gar nicht so recht greifen, und irgendwie ringe ich ja auch hier grade nach Worten. Also zeige ich lieber ein paar Bilder und meld mich später nochmal mit nem klareren Blick.1

Tuscany Trail Teil 2

Kommt ein Rennradler ins SM-Studio. „Einmal volles Programm bitte. Dreischwänzige Peitsche, Brustklemmen, Halsband. Und unbedingt Stilettos! Die ganz langen und spitzen! Dazu bitte Saunatemperaturen. So richtig heiß und perlig!“

Und damit herzliche Grüße vom #TuscanyTrail!

Wir sind in Torrenieri, einem mir bislang völlig unbekannten Nest etwa 50 Quälkilometer südlich von Siena. Torrenieri liegt auf einem mächtigen Hügel und lässt sich vom Radler nur langsam erobern. Dabei fließt eine Menge Schweiß, bewegen sich die Fortbewegungsgeschwindigkeiten im einstelligen Bereich. Hinter Torrenieri, wir wissen es noch nicht, ahnen es aber längst, geht es steil bergab. Bis zum nächsten Ort, der dann wieder auf einem Hügel liegt.

Soweit zu dem, was ich hier tue.
Das Ganze malt ihr euch jetzt bitte nicht mit kinderpopoglatten Asphaltstraßen aus sondern mit Pisten, die an die raue Haut eines Seemannes erinnern. Oder vielleicht gleich an die eines Elefanten.

Was ich in den letzten beiden Tagen an Pisten gefahren bin stellt einiges von meinen bisherigen Highlights in Afrika und Südamerika mühelos in den Schatten. Gestern zum Beispiel freute ich mich über 30 knüppelharte Anstiegskilometer auf technisch sehr herausforderndem Terrain auf die unvermeidlich Abfahrt. Als sie endlich kam, klappte mir die Kinnlade runter. Schnurgrade mit 18 Prozent herunter ging sie. Eine Mischung aus Geröll, faustgroßen Steinen und Resten einer uralten Teerstraße. Als ich die Bremsen löste zogen unglaubliche Kräfte an mir. Nach ein paar Metern war ich schweißgebadet vom Bremse-ziehen, nach 20 Metern lag ich auf dem Boden, weil mich eine Steilstelle vom Rad gekippt hatte. Danach ging ich den Downhill – wie quasi alle, die hier kein Fully fahren – zu Fuß runter. Und kam trotzdem schweißgebadet und kreuzkaputt unten an. Um nach ein paar flachen Metern vor einer neuen Wand zu stehen, die sich mit schlappen 18+ gen Himmel zog. Lustig ausgeleuchtet von der Nachmittagssonne, die alles gab, um es uns Radlern kuschelig warm zu machen.

Leichte Gebrauchsspuren sind bereits erkennbar

Diese Tour ist eine echte Herausforderung. Zumal wenn man -wie ich – mit einem Gravelbike (Crosser) am Start ist, 37er Reifen fährt und eine Übersetzung montiert hat, die spätestens ab 15 Prozent Steigung zu schwerfälligen Kurbelumdrehungen führt und mit dem das Downhillfahren ein ziemlich kribbeligen Erlebnis ist. Wer immer also darüber nachdenkt, #TuscanyTrail zu radeln: MTB oder Fully und mindestens drei Omarettungsringe auf die Kassette packen!

Ich will mich jetzt nicht in Superlative flüchten und schon gar nicht jammern – es ist grandios, dieses Ding im wahrsten Sinne des Wortes zu erleben – aber es ist schon brutal hart. Gestern beispielsweise standen wir 800 Meter nach dem Start am ersten Anstieg. 500 Höhenmeter, alles auf steilen Rampen und rüden Pisten. Für die ersten drei Kilometer brauchen wir eine Stunde. Bis wir drüber waren, schlug die Uhr 11 – wir waren um 8 gestartet. Dann ging es schön asphaltig nach Firenze herunter, wo wir in Touristenmassen unterzugehen drohten, ehe nach Firenze die nächsten Anstiege anstanden. Inzwischem bei Sonnenschein um die 30 Grad.

Firenze!

Was es denn neben aller Jammerei schönes zu berichten gibt? Herrlich viel! Tolle Landschaften, schöne Begegnungen mit Verrückten aus aller Welt, eine traumhafte italienische Küche, viele, viele hilfsbereite Menschen und dazwischen bergeweise Touristen. Die Sprache, mit der ich mich hier zu verständigen versuche schwankt zwischen Englisch und Spanisch (wenn ich nicht aufpasse flutscht mir immer „muchas gracias“ raus statt der hiesigen Wendung), und es wird dabei viel und beständig gelacht. Tutto bene also!

Zwei Tage liegen noch vor uns. 220 Kilometer, 3.800 Höhenmeter, blendende Wetterprognosen mit 30+ Grad und jede Menge Pisten, bei denen das Höhenprofil wie eine Säge aussieht, so oft geht es hoch und runter. Ich bin echt gespannt, in was für einem Zustand ich am Mittwoch im Ziel ankomme. Mit im Übrigen deutlich größerer Reisezeit als der Erste, der gestern nach nur 34 Stunden im Ziel eintrudelte. Da kühlten wir noch unsere müden Wade von den ersten 200 Kilometern.

Gehabt euch wohl, richtige Eindrücke gibts erst nach der Tour, die Beine liegen schon hoch und die Augenlieder sind schwer.

Your hardy cyclist!

Siena!

Und hier noch ein paar Pisteneindrücke:

Tuscany Trail Tag 1

Manchmal lacht man ja, wenn man eigentlich weinen möchte – oder besser: muss. Alles hing mir bereits in den Kniekehlen und das nahe Vinci war als der Ort ausgeguckt, wo die heutige Etappe enden sollte, als die toskanischen Landschaftsbauer einen letzten Gruß an unsere Reisegruppe schickten. Man sah ihn schon von weiten und er war wunderschön. Mit 18 bis 20 Prozent stieg er steil aus der Landschaft hinauf und grinste mich feist an. In mir schrie alles. Sämtliche Körnchen waren verbraucht, die Sonne knallte mit diebischer Freude auf (in?) meinen Rücken. Die Toskana hat mich geschafft. Und doch zockelte ich im Schneckentempo auch dieser Erhebung hoch und widmete diesem Wahnsinn TuscanyTrail ein weiteres Kapitel. Oben drauf war übrigens ein Weingut, wo man uns durstige Seelen mit elegantem Roten huldigte.

Massa, 7:40 Uhr, heute morgen. Etwa 700 Radverrückte treffen sich zum gemeinsamen Durchdrehen.

Tuscany Trail hat seinen gefürchteten Namen alle Ehre gemacht. Nach 20 Kilometern flach durch wilden italienischen Verkehr ging es steil hoch, und dabei blieb es. Bis zum Schluss im heutigen Etappenziel Vinci (jeder entscheidet übrigens, wann und wo man stoppt/übernachtet). Die Anstiege sind ruppig und wild, die Abfahrten oft noch ruppiger und noch wilder. In den flachen Strecken führen riesige Salzpfannen das Regenwasser der letzten Wochen (wir haben Glück: statt Dauerregen haben wir gleißende Sonne), und jedes Mal, wenn wir auf ein Stückchen Asphalt treffen beginnt der Kampf mit den Blechlawinen.

Mit anderen Worten: geile Tour!

Ich bin ehrlich gesagt zu platt für einen längeren Report, zumal wir morgen zum Frühstück gleich den steilsten Anstieg der ganzen Tour serviert bekommen (800 Höhenmeter auf etwa 12 Kilometer, und nicht etwa auf Asphalt), so dass gleich mal die Äuglein zufallen werden. Insofern gibts erstmal ein paar Handbilder, dann könnt ihr zumindest visuell schon mal mitfahren beim wilden TuscanyTrail, der defintiv keine launige Sommerrunde durch eine tiefenentspannte Landschaft ist.

Tutto va bene, Euer hardy cyclist!

Der Abzweig ins Gelände fängt ganz harmlos an.

Und wird bald wild und steil

Immerhin: schöne Aussicht von oben

Wieder runter

Tückische Salzpfannen in der Ebene

Kleiner Pfad mit 18 Prozent. Sieht so einfach aus, nicht wahr?

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