Monat: April 2018

Auf Achterbahnfahrt in Cornwall

Das glaubt mir jetzt keiner: das war eine der härtesten Etappen, die ich jemals gefahren bin! Dabei hatte ich noch Glück, denn das Wetter war ziemlich gnädig. Sonniger und blauer Himmel beim Start in Land’s End, über weite Strecken brave Schãfchenwolken, durch die immer mal wieder die Sonne durchblitzte.

Doch der Teufel steckt im Detail. 1.) Kaum zehn Grad fühlen sich ziemlich frisch an. 2.) Der garstige Wind aus Norden war eisekalt und konnte durch hohen Einsatz überzeugen und schließlich 3.), und das ist der eigentliche Grund für „eine der härtesten Etappen“: Die Anstiege.

Ich bin ja schon einiges an Bergetappen gefahren, aber so etwas wie hier hatte ich noch nie. Eine einzige Achterbahn. Runter – Rauf. Und nicht etwa gemächtlich, sondern richtig steil. Jede Bodenwelle weitete sich zu einer rasenden Abfahrt aus, die ich mit bis zu 60 km/h runterschoss, um nach ein paar hundert Metern auf der anderen Seite wieder mit 6 bis 8 km/h hochklettern zu müssen. Ziemlich zermürbend, weil man schon bald keine Lust auf die Talfahrt mehr hat, denn da wartet ja die nächste Malocherschicht. Und bitte, die Anstiege haben hier keine 5 bis 8 Prozent, wie in der Heimat, die hier kommen selten unter 10 Prozent aus und erreichen in Spitzen 16 Prozent. Gefühlt waren das jedenfalls drei Mont Ventoux‘ von Bédoin aus, die ich heute gekurbelt bin. Und ich mecker normalerweise echt nicht über Anstiege…

Das andere Problem war die Zeit. Bis ich losfuhr war es halb 2, und das war viel zu spät für die Etappe. Um halb sechs hatte ich noch immer 27 Kilometer bis zum Ziel und konnte hochrechnen, dass ich nicht vor acht auf einem Camping sein und mein Zelt aufgebaut haben würde. Was die Frage der Versorgung aufwarf, denn nach 8 gibt es in kleineren Orten nicht mehr allzu viel.

Dann kam erst ein Hinweisschild zu einem Campingplatz und 50 Meter weiter ein gut sortierter Spar-Laden. Na, und jetzt sitze ich im halbwegs warmen Aufenthaltsraum dieses Campings und habe schon Unmengen an Kalorien zu mir genommen. Und schlabbere genüßlich am Newcastle Brown Ale. Mit anderen Worten: mir gehts gut, auch wenn ich nun morgen statt 92 Kilometer deren 119 haben werde. Wer „mitfahren“ will: <a href="https://connect.garmin.com/modern/course/embed/16996068„>hier sind die GPS-Daten, natürlich erst ab Fowey, da muss ich ja nun erst nichmal hin.

So, dass muss reichen für den Moment, demnächst dann etwas mehr. Jetzt ist Seele-baumeln-lassen angesagt.

Your tired but proud hardy cyclist

#UKChallenge2018 Countdown: Vor der ersten Etappe

Morgen geht es los.

Endlich!

Nach so langer Planung und Vorbereitung jucken die Beine, wollen die Muskeln endlich loslegen und gen Norden radeln. Nur der Geist zetert noch rum, faselt was von „schlechtem Wetter“ (aktuell: zehn Grad, böiger Wind, grauer Himmel) und starrt immer wieder erschrocken auf die Wettervorhersage, die für den morgigen #UKChallenge2018-Starttag sintflutartige Regenfälle und stürmische Winde prophezeit. Immerhin wird der äußerste Südwesten Englands wohl vom Schlimmsten verschont bleiben, soll es bei strammem Nordwestwind und frischen Temperaturen halbwegs trocken bleiben. But … this is England… You never know…

Der Startschuss wird so gegen 13 Uhr in Land’s End erfolgen, das Ziel liegt in Fowey, das im Übrigen „Foy“ ausgesprochen wird, wie ich gestern lernte. Wildes Cornwell mit seinen keltischen Wuzeln. Nach dem Start am Land’s End Visitor Centre geht es zunächst auf der dichter befahrenen A30 etwa zehn Meilen bis nach Penzance, von wo aus die Route über kleinere Nebenstraßen Richtung Nordwesten führt. An Örtchen wie Leedstown, Porkellis oder Canon Downs vorbei geht es bei Trelissik kurz mit der Fähre weiter Richtung St. Austell und schließlich ins Tagesziel, einem süßen Seebad. Knapp 1.000 Höhenmeter erwarten mich, die lustig verteilt sind auf zwar nicht allzu lange, dafür aber zahreiche Anstiege. Es wird wohl ein guter erster Tag, um die Form der Beine zu testen.

Wer „nachfahren möchte“ kann die Tagesetappe übrigens hier finden.

Gespannt bin ich aufs Campen, bei den angekündigten Temperaturen schon jetzt ein unablässiger Quell der Quängelei meines komfortsuchenden Ichs, das sogar schon ein B&B gefordert hat. Für Notfälle, also wenn es die angekündigten sintflutartigen Regenfälle doch in den Südwesten schaffen, habe ich ein paar Meilen nordwärts immerhin eine Jugendherberge in petto 😉

Nun aber genug der Vorrede, morgen wirds ernst. Endlich! Ich freu mich drauf! Roll on stage 1!

Your hardy cyclist
Zum Bild: Heute gab es mit Chris noch eine kleine Ausschüttelrunde mit Cake-Shop-Stopp in Yatton. Allein für den traumhaften englischen Kuchen lohnt sich der Trip durchs Land schon – zumal ich die Kalorien ja gleich wieder abpedaliere 🙂

#UKChallenge2018 Countdown: Generalprobe bestanden

Graumelierter Himmel, ziemlich frisch und dazu ein garstiger Wind – ganz so freundlich präsentierte sich Großbritannien nicht bei meiner ultimativen Generalprobe vor dem Start am Montag. Auf dem Programm standen etwa 30 Kilometer vom süßen Badestädtchen Clevedon nach Horfield, einem Viertel im Norden von Bristol, in dem das Stadion der Bristol Rovers liegt.

Als mein Freund Chris gestern Abend die ausgeguckte Strecke über Tickenham und Long Ashton sah, schlug er erst mal spontan die Hände über dem Kopf zusammen. Viel zu viel Verkehr! Viel zu unromantisch! Viel zu doof! Also wälzten wir die Landkarte und entwickelten eine alternative Route, die in der Tat viel schöner, viel verkehrsärmer, viel romantischer war. Als neues Problem kam nun allerdings die Orientierung dazu, denn „meine“Route hatte ich im Garmin eingespeichert, in das ich aber von hier keine neue Route aufnehmen kann. Eine eilig angefertigte handgemalte Landkarte funktionierte anfänglich recht gut, bis ich irgendwann unbemerkt falsch abbog und mich plötzlich mitten in einem gigantischen Kreisverkehr mit bis zu sechs Spuren und wild tosendem Verkehr wiederfand. Zeit zum Durchatmen gab es nicht, und bis ich realisierte, dass ich falsch unterwegs war, hatte ich den Moloch schon halb durchquert. Also nochmal reinstürzen in den Harakiri-Verkehr, der mich schließlich an der richtigen Stelle wieder ausspuckte, womit ich in die korrekte Richtung weiterpedalieren konnte. Test 1 bestanden, würde ich sagen!

Doch die Welt hatte sich schlagartig verändert. Wo ich zuvor auf einsamen Nebenstraßen kurbelte, auf den kaum ein Auto unterwegs war, landete ich nun auf einer fetten Ausfallstraße. Und machte sofort mit der mir bereits warnend angekündigten Unart britischer Autofahrer, quasi keinerlei Seitenabstand zum Radfahrer zu halten, Bekanntschaft. Wow, das war manchmal echt herzzerreissend knapp! Und das ganze im Linksverkehr, der auf dem Rad dann doch um einiges tückischer ist als im Auto, wo man deutlich mehr Fixpunkte für die regelmäßige Erinnerung ans Linksfahren hat. Alleine für diese Erfahrung hat sich der Ausflug aber schon gelohnt, da fühle ich mich deutlich besser vorbereitet auf Montag.

In Bristol wurde die Navigation dann zur echten Herausforderung. Anfangs gab es noch ein paar Landmarken, an den ich mich entlanghangeln konnte, doch als die weg waren ging es vor allem nach Gefühl weiter. Gottseidank kenne ich mich ein bisschen aus in der Stadt, und als ich auf die vertraute Gloucester Road traf war ich zwar an einem völlig anderen Punkt als geplant gelandet, wusste aber immerhin, wo ich war. Und tatsächlich tauchten ein paar Minuten später schon die Flutlichtmasten des Memorial Stadiums auf, wurde ich dort mit großem Hallo von Phil und seiner Fanshopcrew begrüßt. Sogar ein kleines Versteck für meinen Crosser hatte man organisiert, damit er während des Spiels außerhalb gieriger Blicke auf mich warten konnte.

Neben Navigation, Linksverkehr und Autofahrerkonkurrenz waren die doch sehr zahlreichen und ganz schön knackigen Anstiege sowie das, surprise, surprise, Wetter gewöhnungsbedürftig. Knapp zehn Grad unter stahlgrauem Wolkenhimmel, dazu ein ziemlich eisiger Wind und der irgendwie ständig drohende Regen gaben mir eine gute Einführung, auf was ich mich mit dieser Tour eingelassen habe. Wobei: es könnte noch schlimmer kommen, denn die Wetternachrichten sagen für Montag ergiebige Regenfälle und starke Winde aus Nordwest (in die Richtung radle ich…) voraus. Okay, british weather, challenge accepted!

A Gashead in Britain: Cycling End to End

This is for all my British friends (and all Gasheads) who wants to follow my current bike trip from Land’s End to, John O’Groats and in Wales.

Everything started with an old and almost forgotten dream. Cycling the lenghts of Britain from Land’s End to John O’Groats. I had that dream years ago while driving around Britain in a car. and it was only a dream then. Never ever would I have thought actually doing it. For a bike was just something that never got any maintenance and was only for going from place A to place B in my hometown of Göttingen. A long-distance cyclist I was only in my most daring dreams.
2011 I started to be a proper cyclist. I cycled Africa from Cairo to Cape Town. 11.000 Kilometers. Never ever had I done something like that before. And I loved it (and hated it sometimes). Three years later I went to South America and cycled from Ecuador to Patagonia. 12.000 km from the middle to the end of the world. All over the Andes. On my bike (and in a blue and white quartered cycling shirt 😉 ). Since then I did a couple of other bike trips and enjoyed the extraordinary freedom you can only have on a bike. I even call myself „the hardy cyclist“, a wonderful play of words with my name and the true meaning of the word „hardy“.

And then my long forgotten dream finally came back to me. End to End. Wouldn’t it be nice to do it now?, I thought in autumn 2017, when I went to Bristol to see Rovers take on AFC Wimbledon – being a Gashead since 1993, when I fell in love with Rovers, then playing at the lovely but ramshackled Twerton Park. Apart of a 0-3 trashing of my beloved Pirates by the Wombles I came home with a new book: „End to End – the cycling route“. I was hooked immediately.
Now I’m back to Bristol, back to the Mem, back to my dreams. Saying goodbye to Browner at the Mem in the afternoon, starting End to End on Monday from Land’s End. 14 stages of cycling, 14 days of exploring a country I fell in love with back in 1984, when I first came to London.

Cycling Britain will give me another image of the UK. All the landscapes from Cornwall to the Highlands, all the people from the South to the North, from the peasants of Shropshire to the metropolitans of Manchester, from Glasgow to John O’Groats. I’m really looking forward to meet you, people of Great Britain! and this cycling trip is not only about End to End, because then I would miss another part of the country I’ve been in love with for a long time: Wales. On my way back south from John O’Groats I’ll therefore leave the train at Warrington and start the second part of my trip. Bala, Blaenau Ffestiniog, Harlech, Machynlleth, Dollegau, Builth Wells, Hay-on-Wye, Chepstow – another five days of cycling through a wonderful landscape.

I’m doing about 100 kilometres a day (60 miles). Fast enough to go forward, slow enough to find the time for a little chat or a sightseeing detour. Staying mostly on campsites I carry everything I need on the bike. As I don’t want to slow myself my luggage is limited to 15 kg, which isn’t that much, as you can imagine. I’m already curious about what I will be missing most.

I’m blogging about the whole trip, so if you want to follow me you are happily invited. The blog will be mostly on German, but I‘ ll add English bits every now and then. And there is always the wonder of google translate which should help to understand.

Your hardy cyclist, and to the good people of North Bristol a proud „Goodnight Irene“. UTG!

#UKChallenge2018 Countdown: time to go!

Das Fahrrad in der Box, die karge Ausrüstung im Handgepäck, alle mögliche Verspätungsmöglichkeiten durch einen frühen Start ausgeschaltet – Berlin-Schönefeld ist erreicht!

Durch die großzügige Zeitplanung ist nun reichlich Wartezeit aufgelaufen (der Flieger geht erst um 4), aber die schöne Sonne lässt sich ja auch in Berlin genießen.

Next stop: Bristol!

Your hardy cyclist.

#UKChallenge2018: auf gepackten Koffern

Der Tag vor einer großen Reise ist immer der anstrengendste. Tausend Sachen sind noch zu erledigen, und die Zeit rast wie im Flug. Wer mit dem Fahrrad reist bzw. fliegt hat dann noch die höchst herausfordernde Aufgabe zu bewältigen, das Bike in einen gleichzeitig viel zu kleinen und viel zu großen Karton zu bekommen. Ein Tetris für Bike-Fetischisten, zumal man immer auch ein bisschen voller Furcht ist, was mit dem Karton auf dem Flug so angestellt wird. Also wo genau muss gepolstert werden, was könnte aus dem Karton herausragen und wie soll das überhaupt alles da reinpassen.

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Ist dann alles verpackt kommt das nächste Problem: wie soll man diesen Koloss nur in Bewegung bringen? Da kommen ratzfatz 25 Kilo zusammen, und so unhandlich, wie der Karton aussieht ist er in der Lebenspraxis auf einem Bahnhof oder in der U-Bahn zum Flughafen auch. Ich konnte diesbezüglich ziemlich von meiner jüngsten handwerklichen „Grundausbildung“ profitieren, denn den Winter über habe ich mit Hilfe erfahrener Zimmerermänner zunächst den Dachstuhl eines Hausanbaus abgetragen und dann komplett neu wieder aufgebaut. Dabei standen wir eigentlich ständig vor Herausforderungen, die zu lösen waren. Und genau diese Mentalität habe ich mir bei der Bikebox zunutze gemacht. Innen hinein kam ein Holzbrett, das den ganzen Boden abdeckt und an das ich von außen zwei Rollen montiert habe. Et voila, fertig war der Fahrrad-Rollkoffer! Nun bin ich ziemlich gespannt, wie sich das Teil ab morgen früh in der Praxis bewährt.

Meine Ausrüstung ist limitiert und karg. 15 Kilo Zuladung hatte ich mir vorgenommen, und ziemlich genau 15 Kilo Zuladung sind es alles in allem auch. Das ist natürlich ziemlich überschaubar und passt bequem in einen Koffer für das Handgepäckfach im Flieger. Das alles multifunktionsfähig sein muss hatte ich schon geschrieben, und was ich unterwegs so alles vermissen werde, darauf bin ich schon sehr gespannt.

Ein anderer Aspekt, der langsam in den Fokus rückt ist das Wetter. Seit ein paar Tagen schaue ich immer mal wieder in die Vorhersage für Penzance, und, typisch England, sie wechselt fast halbstündlich zwischen Regen und Sonne. Tendenziell aber scheint es Anlass für Optimismus zu geben, wenn auch am Montag scharfer Nordostwind angekündigt ist – genau die Richtung, in die ich fahren werde. Ab Dienstag soll er dann aus dem Westen kommen. Aber „this is England“, da weiß man nie.

Morgen früh um 9 geht es zunächst nach Berlin, wo der Flieger nach Bristol wartet. Dort erwarten mich gute Freunde aus Clevedon, mit denen ich am Samstag zum Rovers-Spiel nach Bristol radeln will. Sonntag nochmal ausspannen, Montag fällt der Startschuss. In diesem Sinne: seeYa later!

your hardy cyclist

#UKChallenge2018 Countdown: die Route

Viele Wege führen nach John O’Groats, und das ist wohl zugleich die größte Herausforderung vor dem eigentlichen Start: welche Strecke nehmen? Im Netz kursieren hunderte von Möglichkeiten, und auch auf dem Buchmarkt wird man reichlich bedient. Also gilt es auszusortieren.

In meinem Fall flogen als erstes jene Streckenführungen raus, bei denen hochambitionierte Rekordjäger in einer Handvoll Tagen die 1.000 Meilen (1.600 km) durchhetzten (Der Rekord steht übrigens bei 1 Tag, 20 Stunden, 4 Minuten und 20 Sekunden, aufgestellt 2001 von einem Mr. Butler). Ganz so schnell wollte ich dann doch nicht unterwegs sein, und das ist ohnehin nur über große Straßen zu schaffen, die entsprechend dicht befahren sind.

Dann gibt es die Streckenführungen, die über zig Umwege führen und alles, was touristisch halbwegs attraktiv ist, mitnehmen (eine führt gar über Stonehenge!). Da wurden dann ruckzuck aus den 1.000 Meilen bis zu 1.300, und das brauchte ich nun auch wieder nicht, denn ich will schon auf halbwegs direktem Wege unterwegs sein.

Damit war das Angebot deutlich runtergedampft, und als ich bei meinem letzten Besuch in Bristol den Cicerone-Guide „End to End Cycle Route“ fand, dessen Streckenführung mir ziemlich gut gefiel, war die Vorentscheidung gefallen. Auf mehr oder weniger direktem Wege geht die Route voran, wobei häufig kleine Nebenstraßen statt großer Ausfallachsen gewählt sind.

Im Großen und Ganzen folge ich der vorgeschlagenen Streckenführung und hab nur ein paar Nuancen verändert. Die schwierigsten Entscheidungen drehten sich um den Lake District bzw. die Yorkshire Dales und die große Frage, wie es in Schottland weitergeht. Die Schottland-Entscheidung konnte ich nach einem spannenden Abend mit einem Cyclisten und Schottland-Fan klären, der vor zwei Jahren dort war und mir wichtige Tipps gab. Bei der Frage Lake District/Yorkshire Dale entschied das Herz. Vor vielen Jahren war ich mal eine Zeitlang in Ambleside geblieben und bin einfach neugierig, wie es dort jetzt aussieht.

Die Frage ob von oben nach unten (Fachjargon: JOGLE, für „John O’Groats to Land’s End“) oder von unten nach oben (entsprechend LEJOG) ist übrigens einfach zu beantworten. Die Hauptwindrichtung ist Südwest, die Chance, mit Rückenwind zu fahren ist also auf der Süd-nach-Nord-Route deutlich größer. Und Gegenwindfahren hab ich 2014 in Patagonien wahrlich genug gehabt. Außerdem wollte ich unbedingt noch einen Schlenker durch Wales machen, und da bot sich der Einstieg im Norden (bei Chester) und das Kurbeln nach Süden an, zumal ich ohnehin von Bristol zurückfliege.

Soviel zur Theorie. Wie die Praxis aussieht wird sich dann ab Montag zeigen.

14 Tagesetappen à rund 100 Kilometer warten auf mich. Das ist überschaubar und allemal machbar. Auf meiner Testroute letzte Woche durch das ziemlich hügelige östliche Eichsfeld kam ich bei rund 65 Kilometern auf einen Schnitt von 23 km/h, so dass rund fünf Stunden reine Fahrtzeit anstehen. Das lässt ordentlich Luft für ein bisschen Landschaft und Städte tanken soaie den einen oder andere Plausch mit Einheimischen.

Gefahren wird jeden Tag, wobei ich sicherheitshalber einen Puffertag eingebaut habe. Sollte der bis Inverness in den schottischen Highlands nicht aufgebraucht sein, verwandelte ich die letzten beiden Etappen einfach in drei und genieße ein bisschen die Highlands. Von John O’Groats geht es in einer Kombination aus Bahnfahren und Radeln zurück bis nach Warrington bei Liverpool, wo dann die Wales-Exkursion beginnt. Ein Bahnticket mit Fahrrad in Großbritannien zu buchen ist übrigens ein ziemliches Abenteuer – aber das erzähl ich ein andermal.

Los geht’s kommenden Montag in Land’s End am äußersten südwestlichen Zipfel von Cornwall. Ziemlich genau 100 Kilometer sind es von dort bis nach Fowey, einem niedlichen Badestädtchen. Es werden wellige 100 Kilometer sein, und wie schön Cornwell ist muss ich wohl niemandem sagen. Am zweiten Tag steht mit dem Dartmoor das erste Highlight an, das mir aber auch ordentlich Höhenmeter auf die Uhr bringt (1.233 auf 92 Kilometer). Vorher muss ich durch Plymouth und sammle damit erste Erfahrungen mit größeren Städten. Freu ich mich jetzt nicht so drauf…

Weiter geht’s in meine alte Wahlheimat Somerset mit dem Tagesziel Glastonbury, eine Gegend, die ich ziemlich gut kenne und die recht ländlich geprägt ist. Tag vier wird dann doppelt spannend. Erst steht die Bristol-Durchquerung auf dem Programm (wobei ich mit einem fröhlichen „Goodnight Irene“ am Stadion des Stadtrivalens vorbeikurbeln werde), dann führt mich die Severn Bridge hinüber nach Wales wo ich in Monmouth die Tagesetappe beende. Am nächsten Tag führt der Weg dann direkt nach Newcastle. Ja, Newcastle! Allerdings nicht „das“ Newcastle, sondern ein gleichnamiges Dörfchen in Shropshire, nicht ganz arg so weit von Shrewsbury entfernt. Es geht durch eine wunderbare, beinahe tiefenentspannte Region, die ich von früheren Besuchen gut kenne und auf die ich mich sehr freue. Hier ist England wirklich England.

Auf der sechsten Etappe von Newcastle nach Chester wird es dann weniger gemütlich. Der Ballungsraum Liverpool/Manchester kündigt sich an, auch wenn ich bis kurz vor Chester überwiegend auf kleinen Straßen kurbeln werde. 627 Kilometer stehen in Chester auf der Uhr – klingt doch schon ganz ordentlich, oder? Am nächsten Morgen geht’s dann mitten hinein in diesen Moloch der Industriegeschichte. Über Warrington, Leigh, an Bolton vorbei führt der Weg nach Blackburn, wo ich einen kleinen Schlenker einlegen werde und den frischgebackenen Drittligaaufsteiger Accrington Stanley besuchen will. Das ist mir fast eine Mission, denn zum einen war ich vor einigen Jahren mit den Rovers dort und fand die Atmosphäre grandios, zum anderen sind die Rovers vor zwei Jahren sehr glücklich auf Accringtons Kosten aufgestiegen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass „Stanley“ nun nachgezogen hat und will ein bisschen nachspüren, wie die Kleinstadt damit umgeht. Nachzulesen wird das dann in der zwölften Ausgabe von Zeitspiel, die im Juni erscheint. Die Etappe endet in Slaidburn mitten im Forest of Bowland in Lancashire.

Tag 8 startet hügelig und führt in den Lake Distrikt, ein touristisch leider ziemlich überlaufenes Naturspektakel mit dem wunderbarem Windermere-See und dem gleichnamigen Ort. Mich zieht es jedoch eher nach Ambleside, wo ich ein bisschen auf eigenen Spuren wandeln will ehe es ins Nachtlager nach Kewsick weitergeht – noch so ein touristisch ziemlich überlaufener Ort. Moffat wird tags darauf mein erster schottischer Zielort sein. Eine alte Kurstadt, auf die ich sehr gespannt bin. Ebenso wie auf Lockerbie, den nicht mehr ganz so jungen unter uns bekannt als jener Ort, an dem 1988 eine PanAm-Maschine nach einem Bombenattentat abstürzte, und durch den ich vorher kurbeln werde.

Dann, endlich, Glasgow! Ich war noch nie da, und die Premiere auf zwei schmalen Pneus zu absolvieren finde ich ausgesprochen charmant. Es führt übrigens ein Radweg durch die Stadt, der eine alte Bahnlinie benutzt und direkt am Hampden Park vorbeiführt. Wenn das nix ist! Mein Tagesziel habe ich nach all der großstädtischen Maloche am idyllischen Loch Lomond erreicht, wo bestimmt ein netter Campingplatz, herrliches Wetter und ein süffiges Pint auf mich wartet. Only joking, vermutlich wird es regnen und die gefürchteten Midges, Minifliegen, die überall durchkommen, werden mit mir ihren Spaß haben.

Von nun an wird es atemraubend. Entlang des Loch Lomond kurble ich weiter nach Norden in die Highland. All die Lochs, viele Berge, Whiskey-Distillerien – Schottland in Reinkultur. Und ich bin schon so gespannt drauf, denn es ist mein erster Besuch in Schottland! Glencoe am Loch Leven wird mein Tagesziel sein.

Gespannt bin ich aber auch auf den Verkehr, denn allzu viele Straßen gibt es da oben nicht mehr und so werde ich wohl mehr direkte Auto- und LKW-Konkurrenz als auf allen Etappen vorher haben.

Egal. Loch Lochy, Fort Williams. Fort Augustus und dann endlich, Loch Ness! Ein paar Stunden darf ich an seinem Ufer entlangkurbeln und hoffen, Nessy neugierig zu machen. Mit Fotos von ihr soll es aber bekanntlich schwierig sein. Dort gibt es übrigens auch wieder ein paar kleinere Straßen, so dass ich die Hektik den motorisierten KollegInnen auf der A82 überlassen kann. Tagesziel ist Inverness, Schottlands nördlichste Stadt und nach allem, was ich gehört habe, eine ebenso quirlige wie moderne „Metropole“.

Auf den beiden letzten Etappen wird es einsam, werden mich die Highlands wohl ziemlich verschlucken. Am ersten Tag steuere ich über zig Hügel den mitten im Nichts liegenden und preisgekrönten Pub „Crask Inn“ an, die einzige Versorgungsmöglichkeit über hunderte von Kilometern. Da wird dann wohl auch wild gezeltet – in Schottland übrigens fast überall erlaubt. Na und dann kommt der letzte Tag entlang der Nordküste. Ziel: John O’Groats. Ein ziemlich unscheinbares und unspektakuläres Örtchen, das nur eine Attraktion zu bieten hat: Zielort von End to End zu sein. Auf dem Weg dorthin liegen übrigens wieder eine Menge Hügel, geht es offenbar über zig Kilometer nur hoch und runter. Da dürfte das Finisher-Bier umso besser munden.

Countdown zur #UKChallenge2018 läuft!

Da habe ich aber Glück gehabt! Nach den wunderbar sommerlichen Temperaturen der letzten Tage ist es nun merklich kühler, was meine Vorbereitungen für die #UKChallenge2018 sichtlich erleichtert. Denn wie will man sich bei hochsommerlichen Rahmenbedingungen mit Temperaturen nahe der 30-Grad-Marke und keinem noch so winzigen Regenwölkchen am Himmel für eine Radexpedition nach Großbritannien vorbereiten?

Was mich auf der Insel wettertechnisch erwartet steht in den Sternen. Im Gegenzug heißt das: ich muss wohl auf alles vorbereitet sein. Zugleich will ich aber nicht meinen halben Hausstand mitschleppen, denn jedes Gramm muss ja auch die zahlreichen Hügel und Berge hochgewuchtet werden. Und zwar von mir! Für die Ausrüstung bedeutet das: alles muss multifunktional sein. Die Radjacke ist auch Freizeitjacke, die Regenjacke muss auch für den abendlichen Pub-Besuch geeignet sein. Keine leichte Aufgabe, und ob es mir gelungen ist werde ich wohl erst vor Ort erfahren.

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So ein bisschen stillvoll reisen ist schon nett – auch „Jenseits der Komfortzone“

Auch die Übernachtungsfrage birgt ein paar Überraschungsmomente. Reicht der dünne und sehr leichte Schlafsack oder gibt es kalte Füße darin? Wie funktioniert die nächtens zum Kopfkissen umfunktionierte Radjacke? Und macht mich der mitgeführte Tauchsieder am Morgen glücklich, wenn er das Wasser für den Instantkaffee erhitzt oder jammere ich dann gleich über mangelnden Komfort? „Jenseits der Komfortzone“ mitten in der „Komfortzone Westeuropa“.

Die Streckenführung ist inzwischen fix. Zumeist geht es über ländliche Nebenstraßen, auf denen der Verkehr dünner ist. Herausfordernd dort: die berühmten Hecken Englands. Wer schon einmal mit dem Rad auf der Insel unterwegs war kennt die damit einhergehenden Sichtprobleme. Entgegenkommenden Verkehr sieht man erst im letzten Moment, vorausschauendes Fahren ist fast unmöglich. Dazu kommt die ungewohnte Straßenseite, die die ersten Tage sicher zusätzlich interessant macht.

Nächstes Thema: Navigation. Neben Wetter und Autoverkehr wohl der größte Unsicherheitsfaktor. Ich habe Wochen damit verbracht, die richtige Route zu finden und in das Navigationsgerät zu transferieren. Nun hoffe ich vor Ort auf klare Anweisungen meines Garmin-Sklaven, die mich konfliktfrei durch Städte wie Bristol, Glasgow oder den Großraum Manchester/Liverpool leiten werden. Übernachten werde ich übrigens in der Regel auf Campingplätzen, wobei ich mir bei harschem Wetter sicher auch mal den Luxus gönne, in die Komfortzone einzutreten und bei einem B&B anzuklopfen. In Schottland stehen dann wiederum ein paar Übernachtungen in freier Natur an.

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2 Meter lang, einen knappen Meter breit, 80 Zentimeter hoch – meine Heimat in Großbritannien

Los geht es diesen Freitag, an dem ich zunächst nach Bristol fliege, wo ich am Samstag noch das letzte Heimspiel meiner Bristol Rovers gegen Gillingham mitnehme. Und zugleich die Chance ergreife, mich ein wenig in den englischen Verkehr einzugewöhnen. Denn natürlich werde ich stilgemäß von Clevedon, wo ich bei guten Freunden untergebracht bin, zum Memorial Stadium radeln. 25 Kilometer, mitten in die Großstadt Bristol hinein – die erste Probe aufs Exempel. Montagmorgen geht es dann Richtung Penzance/Land’s End, wo ich hoffe, gegen 13 Uhr aufs Rad steigen zu können. Ein wenig spät, aber anders ließ es sich nicht einrichten. Die Ankunft in Fowey, einer süßen Hafenstadt 100 Kilometer von Land’s End entfernt an der Südküste, ist dann gegen 18 Uhr vorgesehen.

Eine Probefahrt mit vollem Gepäck habe ich inzwischen hinter mir. Und was soll ich sagen: es war gut! Die Anstiege beißen deutlich stärker, und das Durchschnittstempo sinkt beachtlich, doch es geht voran und es macht Spaß. Das liegt nicht zuletzt an meiner doch ziemlich optimalen Materialausstattung, für die ich mal kurz zur Werbung umschalte. Seit der Südamerika-Tour werde ich von Schwalbe mit Reifen- und Schlauchmaterial unterstützt, was auch diesmal der Fall ist. Als man von meiner #UKChallenge2018 hörte kam sogleich das Signal, dass man den passenden Pneu für mich habe. Es ist der Schwalbe G-One Speed, der auf der Testfahrt einen hervorragenden ersten Eindruck hinterlassen hat und sowohl für trockenes als auch rechnerisches Wetter wie auch für schottrige Ausflüge abseits der komfortablen Asphaltdecke geeignet ist. Schon mal ein herzlicher Dank für den Support an Schwalbe, ich werde  von unterwegs über meine Praxis-Erfahrungen mit dem Gummi berichten.

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Der Pneu für alle Fälle und in jedem Fall meine Wahl für Großbritannien: G-One Speed

Über Schwalbe kam dann der Kontakt zu Vaude zustanden, wo man sich ebenfalls begeistert-neugierig auf meine Tour zeigte. Und darin die Chance erkannte, das eigene Material mal unter Praxisbedingungen testen zu lassen. Letzte Woche kam ein mächtiges Support-Paket an und stürzte mich in helle Begeisterung. Packtaschen für den Gepäckträger, den Sattel, den Rahmen und den Lenker in superleicht und superwasserabweisend, dazu eine fesche Regenjacke sowie Hose und als Krönung ein paar Radschuhe, die perfekt geeignet sind, damit auch abends in den Pub zu gehen – perfekter ausgerüstet könnte ich gar nicht auf Tour gehen. Auch dazu im Laufe der Reise ein paar Erfahrungsberichte – ich befürchte, dass gerade die Regentauglichkeit des Materials während meiner rund 2.000 Kilometer durchaus auf eine gewisse Probe gestellt werden wird. Ein fettes Danke jedenfalls schon mal an Vaude für die Unterstützung!

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Wohlfühlpaket von Vaude – Taschen, Regenklamotten, Schuhe – alles, was das Herz begehrt.

Und damit weiter im werbefreien Programm. Das Rad meiner Wahl ist jenes, das mich schon durch Afrika getragen hat. Ein Crosser (Focus Mare), der sowohl auf Asphalt flott unterwegs ist als auch im Gelände ziemlich flink auf meine Lenkbefehle reagiert. Im Gegensatz zum Zustand in Afrika ist das Gefährt inzwischen aber sichtlich aufgepäppelt. Gemeinsam mit meinem Herzensschrauber Stephan Beckmann von Fahrrad Beckmann in Duderstadt gab es neue Laufräder, rotiert am Vorderrad nun ein Nabendynamo, damit ich unterwegs nicht in Hektik wegen möglicherweise einbrechender Dunkelheit verfalle, ist jeder Bautenzug* und Bremsbelag auf den frischen Stand gebracht.

(*wichtiger nachträglicher Hinweis von Tobias aus der Schrauberwerkstatt Beckmann: „Den Bautenzug gibt es nicht! Der Mensch, der ihn erfand, hieß Bowden. Deshalb Bowdenzug. Weiß keiner so richtig – selbst manch Mechaniker nicht. Aber mir sträuben sich dann immer die Haare, wenn ich es falsch lese.“)
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Mein Lieblingschrauber bei der Arbeit

Es ist also mal wieder wie immer: das Material ist perfekt, der Zustand der Antriebsmaschine muss sich noch erweisen. So schlecht sieht es diesbezüglich aber auch nicht aus. Seit Februar bin ich im Training und habe auch die eiskalten Märztage tapfer durchgekurbelt. Am Wochenende stand der ultimative Test bei der Tour d’Energie in Göttingen an. Und, was soll ich sagen, der Trainingseffekt hat mich durchaus beeindruckt. 3:17:32 mit einem Schnitt von 30,37 km/h auf etwas mehr als 100 Kilometer und über 1.100 Höhenmeter sind zwar stolze 54 Minuten länger als der Sieger, machen mich aber dennoch höchst optimistisch für das kommende Abenteuer. Wichtig vor allem: es hat einfach Spaß gemacht und ich freue mich mächtig darauf, nächsten Montag endlich in den Sattel zu steigen und gen Norden zu kurbeln.

Soviel für den Moment, morgen gibt es an dieser Stelle dann eine etwas explizierte Vorstellung meiner Tagesetappen. Stay tuned, stay rebel and keep following your hardy cyclist!

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Auf zur Testfahrt mit vollem Gepäck

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Trikotpremiere bei der Tour d’Energie in Göttingen